Den Tag vorbereitend
Ich werfe die Tagesdecke über die Kissen. Ich habe dabei eine gute Technik entwickelt, das Luftpolster unter der hochgeworfenen Decke zu nutzen. Oft muß ich nicht mehr zum Kopfende kriechen, um die Ecken zu richten. Trotzdem höre ich eine hohe weibliche Stimme schimpfen und ziehe den Kopf ein.
Das Schimpfen kommt ohne Umweg aus der Kindheit. Ich habe damals keine Betten gemacht. Aber Schimpfe gab es genug.
Meine Mutter ist schon lange tot und viel länger bin ich erwachsen, eigenes Ich. Längst hätte ich mich lösen können. Daß es nicht geschehen ist, schiebe ich nicht auf meine Mutter, noch schimpfe ich mich dafür. Ich nehme lediglich mit einem bedauernden Staunen wahr, daß ich noch immer solche "Stimmen höre".
Irgendwann muß sich das unangenehme Erleben und/oder die zugehörige Furcht in meinem Handeln verbacken haben. Es ist vom Schmerz her auch kaum spürbar. Aber es wäre wohl schön, ganz frei davon zu sein. Vielleicht wäre solche Befreiung auch nicht mehr als enttäuschend.
So werfe ich die Tagesdecke stets unter Beobachtung über die Kissen, erledige ich selbst den Toilettengang unter den Argusaugen anständigsten Anstands. Weit draußen im Wald erst finde ich zu mir zurück. Dort war ich als Kind einmal eine halbe Stunde allein.
Komme ich von dort zurück, wandern meine Gedanken zuerst zu meinen Lieben. Mögen auch sie das Glück solcher freier Momente erleben. Wie oft und laut habe auch ich geschimpft. Manchmal war es nötig. Ich wünsche Euch die Kraft, das abzuschütteln. Geht euren Weg und zerschlagt die Prinzipien, die ich meinte zu Eurem Schutz predigen zu müssen. Die wenigsten davon halte ich für falsch. Aber nichts soll Euch davon abhalten, Prinzipien nur in eigener Erfahrung an Euch zu lassen.
Ich betrachte die Tagesdecke. Man nimmt sich zu wenig Zeit, sich an Schönheit zu freuen.
Wenn Ihr meine Stimme hören solltet -wie ich andete, wünsche ich Euch die Geistesgegenwart, Euch an diese Worte zu erinnern und an meine Versicherung, daß ich das Schmerz erzeugende darin bereue und daß ich hoffe, daß noch ausreichend Liebe im Klang hörbar war, Welt freundlicher zu erfahren. Sie verdient es und - Ihr.
29.11.17 Klaus Wachowski
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