Projekt Kurt Goller, Karlsruher Charaktermasken
Den modernen, ethisch negativen Begriff der Charaktermaske gebraucht zuerst nicht Marx, gegen dessen Menschheitspläne ich inzwischen seine Menschenkälte einwenden, sondern Jean Paul.
Als Charaktermaske würde ich heute das Erfolgsgesicht des ehemaligen -mit Verdienstkreuz verabschiedeten -Oberlandesgerichtspräsidenten und SA-Veteranen Kurt Goller bezeichnen.
Aus Rosen für den Staatsanwalt wurde ein Verdienstkreuz.
1967 wurde der Schwabe und Landgerichtsprädident Ulm nach oben ans OLG Karlsruhe versetzt, wiewohl das Entnazifizierungsverfahren mit Einspruch der Militärregierung bekannt war. Es war die Zeit der Studentenunruhen. Ich bekam damals von einem Deutschlehrer eine 5, weil ich nicht patriotisch genug geschrieben hatte. Musste man zusammenhalten?
Aus Einsamkeit zog es ihn schon im Studium in Tübingen -der Amtsrichter Fritz Bauer war wohl schon entlassen- , Berlin -wer suchte die Bücher für die Verbrennung aus?- und München (Examen 1933 Tübingen) in die NSDAP und SA, wo er in der Gaukulturstelle die politische Angemessenheit von Schriftwerken beurteilte (Staatsarchiv Ludwigsburg PL 501 II Bü 127, 3 Schr). Mußte man nicht auch das „Judenverbot in Lichtspielhäusern“ weiterleiten? Er war dann bis auf die Kriegszeit in der Ukraine (angeblich nur in der Flak 24. Rgt.) in der Justiz als Staatsanwalt in Ausbildung. Zugehörigkeit zum Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund. Man schlug ihn zum Politoffizier vor, was er angeblich ablehnte. Geschah dies einfach so, ohne Prüfung auf Eignung, Treue und Verdienst?
Was er denn wohl in der Ukraine gemacht hat außer ein 1944 nicht mehr so begehrtes besonderes Führungs-Amt auszuschlagen?
In Zeiten, in denen wieder einmal einsame Pubertäre nach Anschluß in Wolfsrudeln suchen, wäre ein Buch über die nur kurz unterbrochene und erfolgreich bis in die Höchstpension wieder aufgenommene Karriere mit Schlussstrich-Verdienstkreuz zum Floppen verdammt.
Die Militärregierung wünscht den Zusatz: "In der Justizverwaltung nicht mehr tragbar“.
So mag das Projekt sensibleren Generationen vorbehalten werden. Nun, es gibt dergleichen in unübersehbaren Mengen sicher auch in Ruanda und Serbien. Aber so gut dokumentierte Tatsachen gibt es dort wohl -noch- selten. Wie eine Entnazifizierungsstelle einen so eifrigen Mitarbeiter der „rein kulturellen“ NS-Gaukultur (Kulturhauptstelle der Gaupropagandaabteilung der NSDAP in Stuttgart) als nur-Mitläufer einstufen konnte, erschließt sich nicht, zumal sich die Herren auch über den Einspruch der Militärverwaltung hinweg setzen mussten. Man beachtete, dass er „aus sozialistischen Kreisen“ kam… Teilnahme: SPD, DVP, KPD. Wobei der Zeuge und Förderer aus der NSDAP eher „liberal-demokratische“ Herkunft annahm. Nur ein kleiner Postassesor, der ihn erlebt hatte war anderer Meinung. Der da sei ein treu gesinnter gewesen.
Wie 1975 ein Verdienstkreuz zustande kommen konnte bei voller Kenntnis der Entnazifizierungsakte (Staatsministerium, 67 wg. Beförderung, 12/74 für „Ordenserteilung“), das bestätigt jedes Vorurteil über die Verfilzungen der Nachkriegszeit auch in Karlsruhe.
Und schau:
Sein SA-Kultur-Chef, Studienfreund und Förderer Gerhard Schumann, Zeuge im Entnazifizierungsverfahren bezüglich Harmlosigkeit war 1944 dann Waffen-SS -Obersturmführer. Bis 2004 in der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe. http://polunbi.de/ Seite des Historikers Olaf Simons.
Ein Skandal unter Skandalen (Kiesinger). Wen in Gegenwart und Zukunft interessiert es? Der Mann starb im Jahr der Öffnung der DDR und ihrer Archive.
Der Historiker ist ein rückwärts gewendeter Journalist, sagt Karl Kraus ganz richtig. Was sieht er? Welche Kapazität, welches Gefühl hat er?
Man muss rechtzeitig die Keller verlassen, in denen die Wurzeln der Menschheit faulen, um den Blick auf die Wirklichkeit nicht durch den ausgasenden Hass vergiften zu lassen.
Menschen sind so, aber nicht alle Menschen sind so und du kannst Deinen eigenen Teil zu Menschlichkeit oder Wurstigkeit beitragen. Die Leute von der RAF kamen ja zum Teil aus Familien mit problematischem Bezug. Auch sie waren in den Kellern zu Besuch. Was sie sahen, vergiftete ihr Menschenbild und produzierte ein absurdes Wir von der Unbarmherzigkeit. Die Welt ist kein Keller, auch wenn sie solche hat. Für die Leute, die sich in diese Keller verirren, bitte ich Dich: "Berichte! Erzähle nicht! Narrative sind etwas über dem Erdboden."
Und nun hinaus zu den Menschen vom Unterschied in der Gleichheit. Und zu den whistle-blowern der Geschichte, die sich gegen das Totschweigen der Fakten wehren. Daumen hoch! Den Whisky haben wir uns verdient.
*
Dem "Blättchen" von 2020 verdanke ich die Kenntnis aus der "Causa Schmid", dass dieser ebenfalls sehr medaillierte und hoch gehaltene "Verfassungsvater", Vizepräsident und was nicht noch alles, ebenfalls im NS-Richterbund Karriere machte, bis zum Kriegsverwaltungsrat in Lille. Dort konnte er einige Partisanen retten und verurteilte eine Menge anderer zu Deportation und Tod. Man nimmt an, sie seien ohnehin aus anderen Gründen todgeweiht gewesen.
Ja, er war schon vor 33 "Humanist" und konnte seiner Entlassung laut Hörensagen nur durch Fürsprache eines NS-Studentenführers (hier wäre der Name Goller naheliegend) entkommen. Anders als so mancher jüdische, nicht unbedingt humanistische Richter, Beamte pp. Die Karriere und die damit verbundenen Gegenleistungen wie die Anordnung von Zwangsarbeit, Deportation, Tod sollen ihm starke Gewissensbisse bereitet haben, was trotz französischen Einspruchs (wie bei Kurt Goller) die Fortsetzung der Karriere im neuen Deutschland nicht weiter beeinträchtigte. Bundestagsvizepräsident mit allen Ehren. Bei Kiesinger Minister. Was noch? So lebt sichs als Humanist.
Ob er auch mit der Deportation von Juden aus Lille betraut war? Hat es jemanden interessiert?
Wie kann man eigentlich Kriegsverwaltungsrat werden? Was wäre die Folge einer Bewerbung zum "einfachen" Soldatendienst gewesen? Es war wohl "Politik als geistige Aufgabe".
Wie komme ich auf den Bezug zwischen so ehrenwerten Personen?
Schmid: 1931 Langerichtsrat Tübingen,
1931-2 Leitung Arbeitsdienst Münsingen
1933 Rettung durch NS-Studentenführer,
Eintritt NS-Juristen
Goller: Vor 4-12/33 NS-Studentenbund,
ab 5 /33 NSDAP,
10.5.33: Bücherverbrennung
Jan 1934 NS-Rechtswahrerbund
1936-1939 Richter und Staatsanwalt im Raum Tübingen
Nach dem Krieg: Richter in Münsingen und LG Tübingen 1959: Direktor AG Tübingen, 1963 Präsident LG Ulm 1967 OlG Karlsruhe
Weitere Suchen: Prozesse in Ulm /Einsatzgruppen, war allerdings 1958
Schmid: Ascq,
Goller "einfacher Soldat",
Schmid-Filbinger,
Bauer: Vorhaben Anklagen in der Justiz
Kommentare
Kommentar veröffentlichen