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Aus 2009

Derwarnix

Einge Skizze für Freunde wechselnder Wolkenfelder

Da! Hiwwl, irgendwo im Trump. Es gibt ein gutes Weinchen in der Kulturschwemme. Sie kennen das Multitalent Karl Theo Göring nicht? Wo war er nur zwischen 1930 und 1949? Seltsamer Kulturstolz! Ein Keks ist kein Pflasterstein.

Man sieht die Bäume, graue Wolken über dem Himmel, man hört die Vögel singen und von ferne Autos. Wozu man wohl in der Welt ist? Die Freunde aus Union und Brutalverbänden, allesamt hochintelligente Minderleister, surfen geräuschvoll im hier und jetzt. Duljöh.
Am Nebentisch ein russischer Pegide. Arbeiten bis zum Umfallen, Entlassung, Rente ohne Anspruch. Er kennt das und regt sich schon lange nicht mehr auf: "Die können nicht alle putzen gehn oder Hausmeister machen. Ein Paar davon müssen auch zur Polizei oder in den Knast!"

Auf einer dünnen Schicht Freundschaft mußt Du Dich vorsichtig bewegen! Es wackelt gewaltig unter der Einsamkeit.

Da gibt es ja angeblich auch noch einen Gott unter dem Krautblatt. Wenn die Sonne scheint, ist gut glauben. Aber Du brauchst ihn im Menschen.

Andere arbeiten an Muskeln, heiraten und bekommen Kinder der Buchhaltung. Er liest lieber im Feuilleton. Ein Leben wie im Märchen. Gewaltige Langweiler als Geistesriesen. Koryphäen! Es kracht fast wie Denken. Das Lob des outgesourcten Kritikers ein dunkles Bezahlmärchen aus der Romantik.

Schräg fällt der Regen in die ohnedies frierende Seele. Unter Wolkentürmen plötzlich der Wellenschlag eines Vogelschwarms. -
*
In den kleinen weißen Blüten zwischen dem Altstadtpflaster breitet sich ein sprechen wollendes Schweigen aus.

Frau Platz hatte keine Kinder und lebte glücklich mit ihrem Mann. Dem kleinen Jungen erschien dieses Häuschen eines Postbeamten wie aus der Fibel geschnitten. "Hans, Heiner, Elsa" lebten dort ein freundliches Leben vor. Etwas fremd, aber unter dem blauen Sommer und roten, wurmfreien Kirschen glaubhaft wie die Freundlichkeit am Tisch von Frau Platz.
Wenn sie am Zaun stand, konnte sich der Junge gut eine Zukunft von schönen Straßen mit schönen Häusern, Gärtchen  und schönen Abenden vorstellen. Wie Frieden unter den Menschen. Etwas langweilig. Aber wie sehnte er sich unter häuslichen Gewittern nach so einer Fibelwelt.

An diesem Morgen, in vom Erlebnishunger verlassenen Straßen, steigt eine Kindersehnsucht auf nach diesem anderen Leben unveränderlicher Freude im Zyklus von Jahren, deren Rhythmus von Sonne und Regen bestimmt ist. Ungesprochene Worte steigen aus der im Muster der Straße verwobenen Erinnerungen auf. Von da ging die eine Haltung aus.

Später lernte er die andere kennen, trieb ihn sein Trieb durch lange Jahre. Ob er sich je aus dem Tanz um Grete und Hans würde herauswinden können?

Die zugehörige Philosophie stammte von Kant, die Religion aus den zweifelnden Regionen des Glaubens: umhergewehte glühende Buchstaben einer Frage vom Caucas.

Die Amsel sprüht Regen, die Lerche  lässt die Welt unter einem Hitzeschild erstarren. Die Liebe findet einen Platz.
*
Von der Marquise von O schreibt Kleist:

"Sie hob mit dem ganzen Stolz der Unschuld gerüstet, ihre Kleider auf, trug sie ohne daß der Bruder gewagt hätte, sie anzuhalten, in den Wagen, und fuhr ab.

Durch diese schöne Anstrengung mit sich selbst bekannt gemacht, hob sie sich plötzlich, wie an ihrer eigenen Hand, aus der ganzen Tiefe, in welche sie das Schicksal herabgestürzt hatte, empor."

Die Erfindung der Person ist ja nicht alt. Mit dem Aufstieg des heiligen römischen Kaiserreichs der Massen und der auf sie einpeitschenden Familienclans - Deine Ahnenforschung kann nichts finden, worauf ein Individuum stolz sein könnte - war sie für fast 1.700 Jahre von der Erde verschwunden. Dünne Spuren der Auflehnung. Eine davon ist dieser Moment der der Marquise von O.

Inzwischen verlottert  die Republik wieder. Man schottet sich ab gegen Recht und Anstand mit Front-office, Call- center und schwarzen Diensten. Jeder Trottel hält sich für Cäsar und schickt seine Kinder in die Schulen für Narzißmus und Beziehungspflege. Der Bürger wird zur Randexistenz.

Kaum daß die Freiheit eine Öffnung für Gedanken in den Horizont gebohrt hat, bricht auch schon alles, was an Chauvinismus, Rassismus, Unbarmherzigkeit und Menschenhass in den Individuen steckt hervor, als ein neues Grauen.
*
Ein Lastwagen tiefgefrorener Einsamkeit fährt auf Dich zu, während Du bremsen mußt. Derwarnix aber sitzt schon Sonntag früh um 8 mit dem ersten Bierchen an der Tanke. Der war schon in der DDR nix und bei Vatern. Er wartet. Wie wir bald warten werden.
*
Jetzt aber Platz für Ehrfurcht und Andacht in Rheinhessen.

Blickt man auf dieses literarische Lebenswerk, dann ist man geneigt, vor Ehrfurcht zu erstarren. Ich zwar nicht, aber öffnet er den Schrank mit seinen vielfältigen Werken, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. "Das sind meine geistigen Kinder", sagt er andächtig. Eines heißt "gelacht, gebabbelt un gegrunzt" oder so.

Und wieder beschenkt man einander mit langweiliger Kurzweil.

Im Caucas bringen sie die Menschenrechtler um. Urmütterchen Russland, ganz schön Nazi, zeigt ihren Kindern, was brav ist. Sibirienfahrer träumen düstere Märchen zur Illumination ihrer Altersdepressionen. Pittoreskes Elend läuft in die Städte aus. Dome der Hoffnung unter Funktionären der Unbarmherzigkeit. Elite der Beziehung führt das Volk ins Duljöh.

Ein Junge und ein Mädchen machen sich auf den Weg aus der Fibel.

Unter den Wolken plötzlich Vögel.

Aus 26.7.09 Klaus Wachowski

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