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Wortvergessen - Wege der Literatur

Von Literatur
Als die 68er von der Parole zum Wort kamen.
"während einer mittagspause
in einem verwunschenen büro
das täglich kleiner wird
und mit knurrendem magen
auch so
mag ein gedicht entstehen "
Heidi Wegner
"Writing songs that voices never share..."
Sie blühte kurz. Wer hatte schon von ihr gehört?
Wer danach?
Wie ich saß sie im Rauschen der Arbeit.
Aber sie sang. - Und schön.
Was konnte aus ihr werden!
Warf sie die Hülle weg, in einem anderen Sinn zu treiben?
Fand sie den Weg aus der Clique in eine Beziehung, in eine Aufgabe oder in ein Schicksal?
Nichts mehr zu finden.
In der Unendlichkeit ist eine Ton verklungen.
*
In der hämischen Erwartung, Belege für meine Vermutung mafiöser Verbindungen auch im Betrieb der Literatur zu finden, erwarb ich im Antiquariat für 1 Euro "Zehn junge Schriftsteller - das junge Karlsruhe" aus 1979 von einem seltsamen Verlag namens Waldkirch, Herausgegeben von der literarischen Gesellschaft (Scheffelbund).
Solche Verbindungen sind hier aber nicht zu erkennen. Offensichtlich hat die lokale Förderung nicht bis Suhrkamp oder rororo pp. gereicht. Man, frau mußte den Weg zum -lokalen- Erfolg selbst gehen. Mühsam wohl und dabei gerne das Wort verlassen, um wenigstens ein alltägliches Leben finanzieren und führen zu können. Willst Du Deine Seele nicht an die Beziehung verkaufen, verkaufe Deine Arbeitskraft an irgendwen! Das ist in der guten Ordnung.
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Exkursanfang
Wir kommen zusammen, denken über Literatur und Leben nach. Ich habe ein Buch gefunden, in dem zehn junge Leute um 1979 herum sich der Intellektualität der Stadt Karlsruhe und in der Hoffnung auf ein größeres Publikum präsentierten. Keine Reimeschmiede, aber doch auch nicht gewaltig. Insofern kaum unterschiedlich zu etwa Grass, M. Walser, Böll.
Was denken wir heute darüber?
Dr. Smirc beginnt: "Hans Gerhard Gensch zum Beispiel: Damals eine aufstrebende literarische Nummer: er solls zum Doktor und Dozenten gebracht haben. Von etwas wie den voll Witz und Lust an kritischer Beobachtung in den "elsässischen Dorfskizzen" zum "Faschismus der Gourmets" (frankophile Käselutscher des Degenhart?), ist im Netz nichts mehr zu finden. "Warum denn gleich an Blutwürste denken?"
Aus dem 30jährigen Talent hat die Zeit nun einen 70jährigen Pensionär rundgeschliffen, wenn es gut gegangen ist. Lehrte er die jungen Literaten nun brav zu sein, Karlsruher Beziehungen zu knüpfen oder ist er Partisan im Betrieb geworden, mit neuen Seilschaften langatmiges Schreiben in die städtischen Kultursenken zu treiben, aufzumischen und fettgedrechselte Blutwürste als Pasticcio aufzutischen?
Vielleicht macht er aber auch nur seinen Job, schlecht und recht oder sogar gut, und ist nun auf seine Existenz als Mensch zurück geworfen. Durch ein Leid, durch eine Sehnsucht unerfüllt?

Was soll da unsere Wertung? "

Dr. Warnix, Psychagog und geschickt agierender Wortwaxer aus Klatschning am Inn, weist solche Unterstellungen erbittert zurück. Seinem Hörensagen nach habe dieser Kenner und Kerl seinen Karl Kraus in - und auswendig gelernt und dem Prignitzer Bolschoibalett unglaubliche Zuwendungen zu gewendet. Daß er sich nun schon jahrelang literarisch zurückhalte, sei seiner verantwortungsvollen Auffassung vom Sinn seines Amtes zu verdanken. 

Ich meine, der habe doch das einzig richtige im Schlammbad Literatur gemacht: sich auf einen anständigen Verwaltungsjob zurückzuziehen. Jetzt wär's aber wieder mal an der Zeit, mit dem heraus zu kommen, das er inzwischen in die Schublade geschrieben habe.
Exkursende
*
Andrea Gnam hats (ebenfalls) aus der Literatur heraus geschafft ins Publizistische. Mit ausgreifender Geste skizziert sie -nach irgendeiner Zeitungsmeldung- thesenbezogen Entwicklungen in Malerei und Plastik, greift aber auch am Rand Positionen des Avantgardefilms auf. Heute betrachtet sie die Arbeit an "mentalen Karten", entdeckt Avantgarden quer über den Kontinent verteilt.
Ist es noch wie mit zwanzig? "Die zeitlose Kutte über die Schulter geworfen einen modischen Windschutz wählend" führten erste Gehversuche im Schatten ins Büro. Aus der Literatur in die Ästhetik.
Was ist falsch daran?
Harald Hurst, damals 34 moralisch gezwickt, jetzt der mit de Wurscht, Mundartdichter do hanne num. Mühsame Kleinarbeit im Lokalen. Mer lacht. Damals warnte er "sie schone mei hirn, bis i vergeß, daß i eins habe."
Ein Platz auf der Juxmeile der Literatur. Wer wollte ihn streitig machen?
Gemiidlich. Ein lyrischer Freund sagt:"ein Gedicht wie ein Märchen, ein Idyll aus kulinarischem Genuss, Liebe zur Heimat und weichen, liebevollen Worten." Es ruft nach Prost.
Wort und Traum haben sich davon gemacht.  Wurst und Prost wohl blieben.
Regine Kress-Fricke um die 35, heute also über 70
Auch sie hat ihren Weg gemacht, sitzt nun in einigen literarischen Verbindungen. Es war wohl steinig, und schwer in den Bereich der Förderungsmenagerien zu gelangen. Nun erfolgreich geschafft. Wer wollte da neidisch werden?
Von Ruhm war nie die Rede. Im jungen Karlsruhe schreibt sie ein engagiertes Drama über das Altersheim, an dessen Portal wir heute mit etwas betröpfeltem Blick vorbei gehen.
Zu Dramen weiß ich nichts zu sagen.
Der Kreis ihrer Interessenten schrumpfte wohl naturgemäß, wie der der Freunde: Man stirbt schon mal im Alter, auch in unseren Kreisen. Wer wollte noch schreiben?
Hans Landthaler, ein lustiger Gesell, der wenig mit dem Wort, viel mit seinem Spaß an der Welt zu verlustigen weiß. Rein, raus, lustiger und böser Gesell. Damals in den 30ern, heute über 70 bleibt das Thema, gut essen, trinken, und Frauen betrachten. Ein Na ja des schwatzenden Feierabends. Avenidas zum Beispiel ist allerdings weit ab von solchem Surfen auf der Fläche des Tags.
Roland Lang, etwas ernster und älter schaffte einige Publikationen, Preise und Stipendien. War 68 wohl dabei. "Trauer" von 75 (er war 33) jedenfalls lesbar. Er wußte wohl,was Verlust bedeutet. Diese Skizze zu lesen, dafür lohnte sich der Ankauf des Buchs. 
Peter Lober ca 35 Jahre alt, er starb mit 51 an einem Herzinfarkt - vor dem Arbeitsamt. Hatte gefühlt, geschrieben und gelebt.
"Am Tisch hinter der Lampe saß
ich beruhigt im Licht,
zu reden bleibt wenig. Ciao."
Ich lese nach, habe aber nicht die Geduld, mich zu vertiefen. Die Akkorde klingen weh und ernst. Ich fühlte mich zur Beurteilung nicht für geeignet.
Norbert Ney, noch nicht 30, jetzt an die 70
Ich finde engagierte Aufrufe zur Moral. Inzwischen hat er den Versuch aufgegeben und geht ins Reisen. Die Wehmut scheint nun der Horizont aufzusaugen. Ein ehrliches "Viel Glück" dazu!
Ulrich Zimmermann
Schreibt lt Lexikon der badischen Schreiber: Romane, Erzählungen, Kurzprosa, Lyrik, Hörspiele und Theaterstücke
Ich habe davon ja nur die bemühten "Wintergespräche" gelesen, mit denen die Leser an irgendeine Hochachtung der moralischen oder unmoralischen Phantasien des Lyrikers geführt werden sollen. Problematisch scheint mir die erste Veröffentlichung mit 18 gewesen zu sein, die den Weg weg vom Pfarrer zum bemühten Dichter bog. Inzwischen in der aktiven Förderung angekommen scheint mir ihm wirkliche Erfüllung näher. Das sind Spekulationen.
Förderer der Sehnsuchtstruppe war Jürgen Lodemann *36, von dem mir ein Karlsruher Insider sagt, er sei verstorben. Im Netz ergibt sich im Gegenteil eine wirklich aktive und weiterhin ungebrochene helfende und kritische Aktivität, wohl mehr im Ruhrpott. Rasant ging es und doch auch mit Erfolg ging es durch den Medienbetrieb, zum Schluß mit Regionalkrimi und -oh Jemine!- Siegfried.
*
So war es doch ein Unternehmen, an dem nichts zu bereuen ist. Ich denke an meine Bedenken, an ähnlichen Projekten in anderer, schrecklicherer Provinz mitzutun und finde sie übertrieben. Wir leben zu kurz, siehe Lober, uns in Heimlichkeiten auf das Wunder, gehört zu werden, immer richtiger vorzubereiten. Und gegen die so oft misslungenen Versuche der anderen gibt es keinen Grund zum Neid.
Die Stadt vom Tisch aus.
Kinder schwärmen aus. Ein Platz des Friedens. Umbaut von Wichtigkeit und Wohnung. Von Bäumen blühend und unter Himmel blau.
Die Stadt ist frei, braucht keine Bosse.
*
Und was war und wurde aus diesem kw?
Damals: Seltsam dunkle, bröckelnde Gedichte, drückend ideologische Schwaden, empörte Empörung, die die dunklen Zeiten noch verdüsterte. Sehnsucht und - nicht zu leugnen - Fanatismus. 
Wo wir von angestrengt sprachen: locker war er nie.
Es richtig machen, richtig sagen! In schlechter Ordnung war die Welt.
Dann schlug offenbar die Liebe ein, twisting love, Pathos,  immer nah am Lächerlichen. Und er verschwand in Liebe und Pflicht.
Um aufzutauchen als Dichter, dessen Welten niemand teilt.
Immer schlechter hören, sehen, denken. Immer seltener Gedicht.
Mit Dir auf dem Weg der Wirklichkeit ins Nichts.
*
Aus der Vergangenheit gewachsen.
Wo sie von Liebe nicht singen konnten, wäre es schön, die zehn jungen SchreiberInnen als Alte von Gewinn,  Verlust und Zeit reden zu hören.



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